Camping in Reinkultur
Der Stellplatz in Giverny ist ein echter Tipp. Irgendwo habe ich gelesen, dass der in der Hauptsaison total überfüllt sei und man schon morgens da sein müsse, um noch einen Platz zu bekommen. Ich behaupte, wir sind mitten in der Hauptsaison und da waren noch einige Lücken für weitere Wohnmobile. Am späten Nachmittag, als wir ankamen und am Vormittag, als wir wieder fuhren. Aber okay, eine Garantie gibt’s nie.
Von Giverny nach Saint Malo sind’s rund 340 Kilometer. Und manchmal begleitet einen über 340 Kilometer der Regen. Es hat wirklich so gut wie ohne Unterbrechung geregnet. Nur gut, dass wir kein Cabrio-WoMo fahren! Es regnete bis kurz vor unserer Ankunft in Saint Malo am Nachmittag. Und als wir am Campingplatz ankamen, hörte es auf zu regnen, ganz so, als hätte jemand den Schalter umgelegt. Perfekt!
Hier in Saint Malo gilt zur Hauptreisezeit tatsächlich das Gebot der Reservierung. Während des Check-Ins und auch später erlebte ich mehrmals, das Camper wieder weggeschickt wurden. Soweit ich es einschätzen kann, ist Saint Malo ein äußerst beliebtes Ferienziel der Franzosen. Sowohl auf dem Campingplatz als auch in der City trafen wir mit wenigen Ausnahmen ausschließlich auf französische Landsleute.
Was die Franzosen so toll finden an Saint Malo erschloss sich uns am ersten Tag nicht wirklich. Wir machten erste Erkundungstouren zu Fuß und mit dem Rad und es entwickelte sich nicht so etwas wie Liebe auf den ersten Blick zwischen der Stadt und uns. Aber vielleicht der Reihe nach und etwas strukturierter:
- der Campingplatz liegt auf einem Hügel direkt neben der alten Festung der Cité d’Alet und bietet eine gute Aussicht auf den Hafen und die Altstadt
- wenn man sich vom Campingplatz aus der Stadt nähert, findet man zwar einen ganz netten Küstenstreifen vor, ansonsten ist dieser Teil von Saint Malo eher belanglos und nicht wirklich eine Reise wert; wir waren zunächst ein wenig enttäuscht
- das alte Zentrum von Saint Malo, das von einer Stadtmauer umgeben ist, bietet schon einiges mehr an Geschichte, Architektur und Urlaubsflair
- der alte Stadtkern ist im Sommer voller Touristen und auch hier waren überwiegend Franzosen
- scheinbar leben in der Altstadt von Saint Malo – im Gegensatz zu anderen Touristenmagneten, wie z.B. Dubrovnik – Einheimische
Was aber m.E. gar nicht geht, sind die sanitären Anlagen des Campingplatzes. In der Regel ergreife ich Partei für die Campingplatzbetreiber und stehe auf dem Standpunkt, dass es oft an den Gästen liegt, wie die Toiletten und Waschanlagen aussehen. Hier bin ich nicht so sicher. Allein das Fehlen von Toilettenbrillen ist für mich ein No-Go. Wohnmobilseidank sind wir in dieser Beziehung flexibel! Aber immerhin ist das Personal freundlich und hilfsbereit. So wurde das Problem, dass ein Scherzkeks unseren Stromanschluss belegt hatte, ohne Zögern und professionell gelöst.
Ganz nett auch die Bar Point Zero oben auf dem höchsten Punkt des Campingplatzes. Genaugenommen handelt es sich um eine Freiluft-Zone mit verteilten Sitzgelegenheiten, Musik, einer Bar und einem Crèpe-Auto. Uns sprach das trotzdem nicht sonderlich an und wir zogen es vor, den Sonnenuntergang von Saint Malo mit Blick auf die Bucht und die historische Stadt zu genießen.
Zu Besuch bei Freubeuters
Am zweiten Tag in Saint Malo schwangen wir uns nach dem Frühstück erneut auf die Räder und waren nach wenigen Minuten im historischen Stadtzentrum.
Abgesehen davon, dass wir Spaghetti, Batterien und Öl für die Fahrräder kaufen wollten, hatten wir im Vorfeld keinen besonderen Plan einer Besichtigung geschmiedet. Wir wollten einfach ein bisschen bummeln, shoppen und die Stadt auf uns wirken lassen.
Seit dem Morgen war das Wetter sonnig und dementsprechend wirkte die Stadt direkt freundlicher auf uns. Wir stellten die Fahrräder im Zentrum ab und bewegten uns zielstrebig auf die Stadtmauer zu; Gabi verfolgte offenbar doch einen geheimen Plan, den sie zuvor nicht mit mir geteilt hatte. Auch wenn die hier gezeigten Fotos ein paar Impressionen liefern und für sich bzw. die Stadt sprechen, sei soviel gesagt: das historische Stadtzentrum ist definitiv interessant und man kann hier sicherlich den einen oder anderen Urlaubstag verbringen. Direkt vor der Stadtmauer sind viele Strandzonen und wegen der extremen Gezeitenwechsel sogar eine gemauerte Schwimmzone, die das Baden bei Ebbe ermöglicht.
Lustig finde ich, dass sich manches nun doch wirklich niemals zu ändern scheint. So zum Beispiel das Parken auf Französisch. Und ich habe einige R4 und den einen oder anderen 2CV4 gesehen. Und wer besonders aufmerksam durch die Stadt geht, findet hier und da an den Fassaden – manchmal dezent und unauffällig – kleine Kunstwerke.
Wenn sie nun auch nicht unbedingt die schönste Kirche ist, die ich bisher gesehen habe, so lohnt sich dennoch der Besuch der Kathedrale St. Vincent. Ein wenig unwohl fühlte ich mich, als sich die Gesichtszüge des alten Jaques versteinerten, nur weil ich ihn beim gebet fotografierte. Ob er sich gestört fühlte? Aber gut, die Kanadier fühlten sich 1534 vielleicht auch nicht so wohl, als er sie entdeckte, wenngleich er sie historischen Quellen zufolge nicht fotografierte.
Zwischendurch genossen wir die Stadt aktiv-passiv bei einem Cidre und einem Bier, die sich doch verblüffend ähnlich sahen.
Sehr eng mit der Geschichte der Stadt verwoben ist das Freibeutertum von Saint Malo. Die Freibeuter – oder auch Piraten – standen im Dienste des Königs und genossen neben einem guten Einkommen auch ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Darüber wollten wir vor Ort mehr erfahren und Gabi organisierte die Besichtigung eines Freibeuter-Wohnhauses. Immerhin klingt die (übersetzte) Ankündigung auf der Webseite doch recht vielversprechend:
Tauchen Sie ein in die maritime Atmosphäre der Demeure de Corsaire, einem außergewöhnlichen Herrenhaus, das die fesselnde Geschichte der Freibeuter des 18. Jahrhunderts erzählt. Im Herzen von Saint-Malo gelegen, verspricht diese Residenz ein unvergessliches Erlebnis bei bezaubernden Veranstaltungen und Führungen.
Da sind wir doch direkt dabei! Dachten wir. Die Atmosphäre des Herrenhauses beschränkte sich auf den Hausflur, wo wir gute 40 Minuten auf den Beginn der bezaubernden Führung warteten und zwei weitere (m.E. bestenfalls im Ansatz authentisch eingerichtete) Wohnräume, in denen das unvergessliche Erlebnis eines fesselnd erzählenden Franzosen stattfand – auf Französisch versteht sich.
Nun will ich ehrlich sein: wir wussten, dass die Führung auf Französisch sein würde. Aber wir hatten gehofft, dass man von der ‚Residenz‘ deutlich mehr sieht. Der junge Guide kam mit seiner Erzählweise recht gut bei den Franzosen an, er machte eindeutig einen guten Job. Okay, hier war uns das Glück mal nicht so hold und wir verließen unauffällig die Residenz des Freibeuters.
Die anschließende Zeit nutzten wir, um uns noch ein wenig umzuschauen. Mittlerweile war das Meer wieder weit zurückgewichen, sodass wir trockenen Fußes hinüber zur vorgelagerten Gezeiteninsel Grand Bé gehen konnten, wo der gute alte François-René de Chateaubriand, seines Zeichens Schriftsteller, seine letzte Ruhestätte fand. Auch hier verwöhnten unsere Augen und Sinne viele sehr schöne Impressionen.