Rundreise Frankreich, Tage 13 und 14 – Carcassonne

Fliegen im Wind

Am frühen Abend erreichte unser Wohnmobil Cazilhac (Aude), ein Städtchen ganz in der Nähe von Carcassonne. Cazilhac (Aude) sollte nicht verwechselt werden mit Cazilhac (Hérault), das ganz woanders liegt, auch wenn sich die Einwohnerzahlen nur um etwa 100 Köpfe unterscheiden. Im Grunde genommen gibt’s hier weder über den einen noch den anderen Ort viel zu berichten.
Über den einen ersteren nur, dass ihn unser Wohnmobil erreichte und mit dem Wohnmobil gleichermaßen und gleichzeitig wir. Und ich kann verraten, dass wir zweimal am Stellplatz ankamen. In meiner Planung hatte ich versehentlich ‚Campingplatz‘ notiert statt ‚Stellplatz‘. Die Ausschilderung im Ort war bereits verwirrend, da die Campingplatzwegweiser überklebt waren mit einem Wohnmobil.
Der Stellplatz ist direkt am Ortsausgang, also drehte ich und fuhr wieder in Richtung Ortsmitte. Nach einigen hundert Metern hielt uns ein Bewohner an und fragte, was wir suchen. Er verwies immer wieder auf den Stellplatz direkt am Restaurant Georges, während ich in meinem Irrglauben darauf beharrte, dass es ein Campingplatz sein müsse, den wir suchen. Der gute, geduldige und gesprächige Mann meinte, dass es sowas im Ort gäbe, man dorthin aber mit einem so großen Fahrzeug wegen der Höhenbeschränkungen einen Bogen fahren müsse.
Irgendwann wurde mir klar, dass es wohl doch der Stellplatz sein muss und wir wendeten erneut.

Und ich kann doch noch ein wenig mehr erzählen über dieses Cazilhac (Aude). Oder besser, über unseren Aufenthalt dort. Wie zuvor angedeutet, übernachteten wir erneut auf einem Stellplatz von Camping-Park Car. Wieder handelte es sich um einen – in meinen Augen – ungewöhnlichen Stellplatz. Die Parzellen und die gesamte Anlage erinnern sehr an einen Campingplatz, auch wenn das Zelten dort verboten ist. Eingehende Recherchen haben meine Theorie bestätigt: in der Vergangenheit handelte es sich um einen Campingplatz, vermutlich mit Anschluss oder in Verbindung mit einem Reiterhof. Ob es nun wegen Corona oder mangelnde Motivation war oder was auch immer, die sanitären Anlagen entwickelten sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Ärgernis für die Gäste.
Ich denke, der Betreiber hatte irgendwann keine Lust oder kein Geld mehr für weitere Investitionen und überließ das Territorium der Camping-Park Car Gesellschaft. Status ist, dass die sanitären Anlagen komplett geschlossen sind und durch den Standard des neuen Betreibers ersetzt wurden. Dabei handelt es sich um eine Ablassstelle für das sogenannte Grauwasser (Brauchwasser) und eine Wassersäule mit getrennten Vorrichtungen für das chemische Klo und Frischwasser. Schließlich können die Wohnmobilisten und Wohnmobilistinnen ihre mitgebrachten sanitären Einrichtungen benutzen. Und um einen Vergleich anzustellen, muss ich sagen, dass wir das – ganz im Gegensatz zu unseren Aufenthalten in Kroatien – auf dem Trip durch Frankreich tatsächlich in 90% der besuchten Stell- und Campingplätze bevorzugt haben. Eigene Dusche, eigenes WC. In diesem Urlaub auf den besuchten Anlagen fast schon alternativlos…

Ganz nett auf dem ehemaligen Camping à l’Ombre des Oliviers (so hieß der Platz in der Vergangenheit) sind die Stellplatznischen. Die Parzellen sind umsäumt von Hecken, manche dürften allerdings nur mit Mini-Wohnmobilen erreichbar sein. Und es gilt die Einschränkung auf eine max. Fahrzeuglänge von 9m, soweit ich mich erinnere. Ich kann mich täuschen.
Wenig nett ist, dass außer Urlaubern auch Fliegen diesen Platz gern besuchen. Schließlich wird der Platz im Guide touristique pour les mouches 1 mit 5 Sternen bewertet. Obwohl wir peinlich darauf achteten, die Eingangstür nur möglichst kurz jeweils zum Ein- oder Aussteigen zu öffnen, nutzten sie in einem belagerungsähnlichen Zustand jede Chance schamlos aus, in unsere Behausung einzudringen. Immerhin schafften wir es irgendwie, alle ungebetenen Gäste noch vor der Nachtruhe nach draußen zu befördern.

Gabi hatte bereits einen Plan für unser Abendessen, es sollte einen Nudelsalat mit Schleifchen geben (oder so). Ich erwähnte weiter oben nicht ohne Grund das Restaurant Georges, das direkt am Stellplatz liegt. In Ermangelung einer eigenen Webseite, darf sich jeder selbst die Mühe machen, um bei Facebook, Instagram oder den regionalen Touristen-Portalen etc. mehr über das Lokal erfahren. Um es vorwegzunehmen: viele schwärmen von der Grillkunst und den riesigen Fleischportionen und allgemein vom Essen, soweit ich die französischen Kommentare richtig lese. Wir waren beide nur mäßig angetan; die Auswahl für Vegetarier ist extrem bescheiden (geht gegen null), die riesigen Steaks, die ich allesamt auf mindesten 50kg schätzte, fanden wir nicht sehr appetitlich. Und insbesondere die männliche Servicekraft, die uns abfertigte bediente, war gewöhnungsbedürftig. Ihn interessierte überhaupt nicht, dass wir die Landessprache nicht fließend beherrschen, er hatte keine Zeit, Antworten abzuwarten, er hatte keine Lust, uns über die verfügbare Auswahl vernünftig zu informieren. Die Tageskarte begann bei 180€, das empfand ich für ein zwischengeschobenes Abendessen am Camping-Stellplatz leicht überzogen, sagte aber nichts, um den Graben zwischen dem Ober und uns nicht noch weiter zu vertiefen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Gabi ohne mich sitzengeblieben wäre oder dem kellnernden Ober direkt – vermutlich in der hiesigen Landessprache – zu verstehen gegeben hätte, dass er einen Schaden hat. Wir wissen es nicht, die Geschichte geht so weiter, dass ich partout dort etwas essen wollte. Vielleicht, weil ich die Gerüche des Grills in der Nase hatte? Kann sein und auch meine Sturheit ist kultiviert.
Zum Glück mag Gabi Fisch und anderes Getier, das dem Meer entlockt wurde. So fanden wir doch noch jeder etwas auf der Speisekarte, was voraussichtlich die individuellen Geschmackssinne ansprechen würde. Zusammengefasst und retrospektiv betrachtet, verlief unser Abendessen bei Georges dann doch wenig romantisch. So wie alle anderen Gäste, wurden wir auf die Terrasse geführt. Dort traf uns mit voller Wucht der Charme der Örtlichkeit in Form von Wind und… Fliegen! Während der Wartezeiten auf die Servicekräfte, die Getränke und das Essen, bewunderte ich die stoische Gelassenheit der anderen Gäste, die diese nervigen und ständig kotenden Monster ignorierten. Egal, ob sie (die Fliegen) am Glas, am Teller oder auf dem Essen saßen. Alle Achtung, trotzdem unappetitlich.
Und, wie gesagt, war da noch der Wind, der nur eine Aufgabe hatte: alles vom Tisch zu wehen, was nicht befestigt oder festgehalten wurde oder mindestens so schwer war, wie die Steaks von Georges. Etwas weniger übertrieben: die Tageskarte klemmte wohlweislich an einem schweren Brett, leere Gläser wurden gelegt und mit einem Trick so in die Tische geklemmt, dass sie nicht wegrollen oder fliegen konnten. Trotzdem, gemütlich geht anders. Natürlich kann die Belegschaft des Georges nichts für den Wind. Aber ich verstehe nicht, warum sie partout alle Gäste draußen dem Wetter aussetzen wollten. Sogar als ich den kellnernden Franzosen später auf die heraufziehenden Wolken aufmerksam machte und ihn in meinem schlechten Französisch darauf hinwies, dass es wohl Regen geben würde, blickte er kurz in den Himmel und zuckte ignorant mit den Schultern. Eines steht fest, er hat mich verstanden.

Irgendwann hatte der Kellner unsere Wünsche wohlwollend aufgenommen und noch irgendwanner kamen die Getränke und die Speisen. Wie gesagt, die Kritiken im Web sind vorwiegend positiv und eines muss ich dem Lokal lassen: das Essen war mindestens ein Augenschmaus. Gabis jedenfalls, mein Cordon Bleu ist ja schon rein von der Definition her ein etwas schlichteres Mahl. Sei’s drum, ich fand die Speisen tatsächlich lecker und durfte zudem Gabi helfen, ihren Teller zu lichten.

Mit dem Bier, dem Wein und der Beschäftigung, das Essen mundgerecht vorzubereiten, stieg unsere Stimmung und wir entschieden uns sogar noch für einen Apéritif. Allerdings war meine Bedingung an die Servicekraft, dass wir unsere weiteren Getränke nicht unter offenem Himmel sondern unter dem Dach der Terrasse zu uns nehmen wollten. Zum Glück, denn kaum hatte man einen Zweiertisch für uns hergerichtet, begann es zu regnen und die übrigen Gäste durften jetzt auch eine neue Position beziehen.

Vieles war nicht perfekt an diesem Abend. Mir selbst laste ich dabei nur zwei Punkte an: erstens, dass wir Gabis Nudelsalat mit Schleifchen dem Essen von Georges vorgezogen hatten und zweitens, dass ich einfach zu mutig war, als ich mich Gabis Wahl des Apéritifs anschloss. Ich hätte es wissen müssen, dass ich besser einen süßen Longdrink genommen hätte, statt dieses seifig-pfeffrigen Zeugs aus einer Mischung von Gin, Ingwerbier, Limette und Minze namens London Mule. Boah!!! Aber wie gesagt, Gabi war begeistert.

La Cité

Vor rund 25 Jahren war ich bereits einmal in der mittelalterlichen Festungsstadt Carcassonne, ebenfalls mit dem Wohnmobil. Schlimm genug, dass ich mich an so Vieles nicht erinnern konnte und umso schöner, dass Gabi und ich die Stadt als eines unserer Ziele gewählt hatten.
Carcassonne war gleichzeitig der ‚Wendepunkt‘ unserer Rundreise. Zwar sind Biarritz und Donostia / San Sebastián weiter von unserem Zuhause entfernt. Aber ab hier fühlte es sich an wie die Rückreise, insbesondere, weil wir für den Weg nach Hause aufgrund einer gekürzten Reisezeit nur noch wenige Tage hatten und Kilometer fressen mussten.

Über Carcassonne selbst werde ich nachfolgend nicht viel berichten. Es gibt darüber Literatur und Online-Material zuhauf, das mit Sicherheit fundierter und ausführlicher ist, als ein Blogbeitrag sein kann. Das würde dieser faszinierenden Stadt, die – selbstverständlich – UNESCO Weltkulturerbe ist, nicht gerecht.

Der Stellplatz in Cazilhac liegt rund 4,5 Fahrradkilometer von der alten Stadt entfernt. Dass wir mit dem Rad fahren würden, war eh beschlossen und sowieso die einfachere, bequemere und günstigere Variante im Vergleich zu einer Anfahrt mit dem Wohnmobil. Naja, bequemer wäre sie gewesen, hätte Google Maps nicht so eine – sorry – bekloppte Route über Stock und Stein vorgeschlagen. So fuhren wir bei sonnigem Wetter auf staubigen Abschnitten, die teilweise sehr steil und defintiv nicht mal mit einem Mountainbike befahrbar sind, geschweige denn, mit unseren normalen Straßenrädern. Aber immerhin hatten wir so definitiv nichts mit dem Straßenverkehr zu tun und wurden hin und wieder mit einem fantastischen Blick auf La Cité aus der Ferne belohnt.

Wie immer, war ich ich bestens vorbereitet und hatte die schweren Fahrradschlösser mitgenommen. Die sind sicher und die bekommt man ohne Schlüssel nicht auf. Ich auch nicht. Und ich hatte die Schlüssel im WoMo liegen lassen. Aber hier verzagt der geübte Fahrrad-Tourist nicht, sonder wird kreativ und ’schmückt‘ die Fahrräder derart mit den Schlössern, dass sie aussehen, als wären sie besser abgesichert, als die Weinvorräte der Bewohner von Carcassonne. Oft hilft Gottvertrauen auch dem Ungläubigen.

Der erste Eindruck, bei Betreten der Stadt durch das Hauptportal waren ein Bettler und eine Bettlerin zur Rechten und zur Linken des Weges. Noch bevor man das Portal erreicht, kommt man an einigen schlichten Verkaufsständen vorbei, an denen irgendwelche Souvenirs verkauft werden. In der Stadt selbst habe ich keine Bettler gesehen, vermutlich werden sie da nicht geduldet.

Der zweite Eindruck war die schiere Menge an Besuchern. Die Stadt ist definitiv ein Touristen-Magnet.

Der dritte Eindruck – jetzt innerhalb der Stadt – war ein Laden, in dem man Entchen Angeln konnte. Nicht viel weiter trafen wir auf ein Spukhaus und das Museum der Inquisition, das traurigerweise einen realen geschichtlich relevanten Bezug zur Stadt hat. Ein bisschen wirkte die Stadt zunächst wie ein Jahrmarkt oder Kirmes oder Volksfest auf uns. Allerdings wandelte sich das Bild ein wenig, denn die Zahl der Restaurants und Souvenirläden nahm stetig zu. Das klingt etwas negativ, ist aber nicht so gemeint. Insgesamt sind die vielen alten Häuser, die Türme und die Mauer schon sehr beeindruckend und hinterlassen einen sehr lebendigen Eindruck davon, wie sich eine solche Stadt im Mittelalter dargestellt hat. Denn auch damals dürfte es nach meiner Einschätzung sehr lebhaft zugegangen sein, immerhin lebten dort zu Hochzeiten über 4.000 Menschen.

Der Einlass in das zentrale Château Comtal, das ebenfalls als eine Burg angelegt ist, ist kostenpflichtig (wir zahlten 18€ pro Person). Von dort kann man über die innere Mauer die gesamte Stadt umrunden. Die Strecke beträgt rund 1,3km auf denen man unzählige (Wehr-)Türme erklimmt und immer wieder schöne Blicke auf das Umland oder auch in die Stadt hat.
Auch an diesem Tag war es sehr windig und hier oben auf der Mauer der Alten Stadt, die zudem hoch oben auf einem Berg liegt, zog es wieder mal ordentlich. An einigen Passagen zogen wir freiwillig zügig weiter, denn der Wind blies unangenehm und trieb uns den Staub in die Augen. Hätte ich in vergangenen Zeiten die Stadt einnehmen wollen, hätte ich den Wind als Verbündeten gewählt. Mit Pfeil und Bogen wäre eine Verteidigung nicht möglich gewesen und an Feuer für heiße Asche oder ähnliche Unannehmlichkeiten von der Burgmauer herab wäre nicht zu denken gewesen. Für Betroffene weniger lustig, amüsant aber für unbeteiligte Beobachter sind die Mützen, die von den Köpfen unrettbar auf Dächer und zwischen die Mauern geweht werden. Davon gab’s etliche zu sehen.

Nach dem Rundgang über die Mauer und Besuch des Museums erholten wir uns bei Waffeln (Gaufre), Kaffee und einem grande Bière Pelforth. Anschließend schlenderten wir weiter durch die Gassen und ließen uns zum Kauf eines Magneten für den Kühlschrank und von Küchenhandtüchern für das Wohnmobil hinreißen. Ungefähr mit dem Besuch der Kirche, der Église Saint-Nazaire, schlossen wir unseren Besuch der Cité ab und begaben uns zu den Fahrrädern, in der erfüllten Hoffnung, dass sie auch noch da sind.

Nach einem Abstecher hinunter in die Unterstadt (dort ist eines der Fotos mit Blick auf die Festung entstanden), machten wir uns auf den Rückweg. Um berechtigter Kritik aus dem Wege zu gehen, suchte ich eine leichter zu fahrende Route aus und wir kehrten nach einer kurzen Radeltour zum Wohnmobil zurück. Den Abend nutzten wir zum Lesen des mitgebrachten Büchleins über die Festungsstadt bzw. zur Bearbeitung der Fotos für diesen Blog.


  1. Guide touristique pour les mouches -> dt.: Reiseführer für Fliegen; nach oben: ↩︎

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